Telenotärztin/Telenotarzt - Telenotfallmedizin
Informationen für Patienten und Fachleute
Am 04. Januar 2021 wurde im Landkreis Goslar im Rahmen eines Pilotprojekts im Rettungsdienst die Telenotfallmedizin in Niedersachsen eingeführt. Seitdem ist 24 Stunden täglich eine Telenotäztin oder ein Telenotarzt verfügbar und kann per Audio-Video-Konferenz im ganzen Landkreis sofort eingesetzt werden. Die Erfahrungen aus den ersten 3 Jahren Pilotprojekt waren durchgehend positiv, so dass die Telenotäztin, der Telenotarzt nun bereits in mehreren anderen Landkreisen und Städten Niedersachsens, sowie in Bremen eingesetzt wird. Das zuständige Ministerium für Inneres und Sport plant nun die Einführung eines landeseinheitlichen telenotfallmedizinischen Versorgungssystems, das die Telekommunikation zwischen dem am Einsatzort oder auf dem Rettungsmittel eingesetzten Rettungsdienstpersonal und der Telenotärztin oder dem Telenotarzt am Telenotarztstandort ermöglicht.
Alle Anfragen zur Telenotfallmedizin sind hier per E-Mail zu stellen.
Aktuell: Kursangebot im Januar 2025
Weiterbildung zur Telenotärztin/zum Telenotarzt - Zertifiziert von der Ärztekammer Niedersachsen - der Kursflyer beinhaltet alle wichtigen Informatioen!
Wann: Mittwoch, 22. Januar 2025 bis Freitag 24. Januar 2025 im Notfallmedizinischen Ausbildungszentrum der Kreiswirtschaftsbetriebe Goslar, Wachtelpforte 38, 38644 Goslar
Anmeldung bitte per E-Mail.
Informationen für Patienten
Telenotärztin/Telenotarzt im Einsatz - Ablauf und Indikation für einen TNM-Einsatz
Die meisten Notfallpatienten im Rettungsdienst werden durch die Besatzung eines Rettungswagens (RTW) ohne Ärztin oder Arzt behandelt. Für eventuell notwendige ärztliche Unterstützung wurden bisher ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) oder ein Rettungshubschrauber (RTH) mit Ärztin oder Arzt zum Rettungswagen gesendet, um im sogenannten „Rendezvous-System“ (Treffen von Rettungswagen und Notärztin/ -arzt) gemeinsam den Notfallpatienten zu versorgen.
Die Telenotärztin, der Telenotarzt stellt eine weitere Möglichkeit dar, ärztliche Unterstützung zum Notfallpatienten zu bringen. Oftmals ist die physische Anwesenheit einer notärztin, eines Notarztes am Ort des Patienten gar nicht notwendig. Eher wird die fachliche Expertise oder die Übernahme der medizinischen Verantwortung einer Notärztin, eines Notarztes benötigt. In solchen Fällen wird die Telenotärztin, der Telenotarzt vom Einsatzteam eines Rettungswagens angefordert.
Nach Aufklärung des Patienten über den telemedizinischen Einsatz wird die telenotärztin, der Telenotarzt über eine App angefordert. Die Konsultation des Telemediziners findet per Video-Anruf statt. Fotos (zum Beispiel von Medikamentenplänen und Arztberichten) und Textnachrichten können über einen gleichzeitig benutzbaren Chat übertragen werden. Die Vitalwerte wie EKG (Elektrokardiogramm = Herzstromableitung), Sauerstoffsättigung im Blut und Blutdruck werden in Echtzeit digital an den Arbeitsplatz des Telemediziners übertragen.
Nach dem Starten des Video-Anrufs schildert der Teamleiter vor Ort die Situation und medizinische Untersuchungsergebnisse bei zeitgleicher digitaler Übertragung Vitalparameter auf dem Patientenmonitor. Zusammen mit übertragenen Fotos und gegebenenfalls auch einem persönlichen Gespräch mit dem Notfallpatienten erhält die Telenotärztin, der Telenotarzt ein umfassendes Bild von der Notfallsituation. Auf dieser Grundlage ist es möglich eine ärztliche Entscheidung zu treffen und dem Rettungsdienstpersonal entsprechende Hinweise zu geben und Aufträge zu erteilen. Diese werden dann selbstständig vom Rettungsteam vor Ort umgesetzt
Alle während des Einsatzes erhaltenen Werte, Vitalparameter und durchgeführte Maßnahmen werden elektronisch dokumentiert und gespeichert.
Arbeitsplatz der Telenotärztin/des Telenotarztes
Der Arbeitsplatz der Telenotärztin/des Telenotarztes befindet sich unmittelbar an eine Rettungsleistelle angegliedert. Er ist mit mehreren Monitoren ausgestattet, auf denen die Anwendungen zur Einsatzsteuerung und -abarbeitung laufen. Die Einsatzdokumentation findet in einem digitalen Notarztprotokoll statt. Taktische Einsatz-Informationen (wie Einsatznummer, Alarm- und Einsatzzeiten) werden aus dem Leitstellen-Informations-System übernommen.
Ausrüstung der Rettungskräfte am Einsatzort
Die Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge der an das Telenotarztsystem angeschlossenen Rettungsdienstes sind mit Smartphones ausgestattet. Über eine App erfolgt die sichere Videotelefonie, Chatfunktion mit Bildübertragung und digitale Übertragung der Vitalwerte als Spiegelbild des Patientenmonitors. Die Verbindung wird über das verfügbare Mobilfunknetz aufgebaut.
Während des Einsatzes trägt die Einsatzleiterin/der Einsatzleiter des Rettungsdienstes das Smartphone in einem Tragesystem am Körper. So hat die Telenotärztin/der Telenotarzt eine gute Übersicht über die Einsatzsituation und der Rettungsdienstmitarbeiter hat beide Hände frei für Tätigkeiten am Einsatzort.
Vorteile und Grenzen der Telenotärztin/des Telenotarztes
Das Telenotarztsystem hat viele Vorteile gegenüber dem physischen Notarzt und ergänzt das bestehende System. Die Notärztin/den Notarzt am Notfallort kann die Telenotärztin/der Telenotarzt jedoch in vielen Situationen nicht ersetzen.
Verbesserung der Versorgungsqualität durch
- eine Verkürzung des ärztlich therapiefreien Intervalls: Sind Rettungswagen (RTW) und Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) nicht zeitgleich auf Grund des Notfallbildes alarmiert, entstehen durch Nachalarmierung Verzögerungen der notärztlichen Therapie und Wartezeiten bis zum Eintreffen der Notärztin/des Notarztes. Durch die Alarmierung der Telenotärztin/des Telenotarztes kann dieser sofort in das Einsatzgeschehen eingebunden werden und steht damit ohne Zeitverzug zur Verfügung. Diese Zeitersparnis ist besonders bei zeitkritischen Notfällen ein wesentlicher Vorteil zum Beispiel bei einem schweren Herzinfarkt.
- erhöhte Leitlinien-Adhärenz in der notfallmedizinischen Versorgung: Die aktuellen Versorgungsempfehlungen liegen der Telenotärztin/dem Telenotarzt am Arbeitsplatz vor
Erhöhung der Notarzt-Verfügbarkeit:
- Die Telenotärztin/der Telenotarzt ist unabhängig von Wetter- und Landschaftsbedingungen gleich schnell beim Notfallpatienten. Sobald ein telemedizinisch eingebundenes Einsatzteam den Notfallpatienten erreicht hat, kann es die Telenotärztin/den Telenotarzt hinzuziehen. Dies ist besonders bei Unwetterlagen, bei Eisglätte und Schneefall sowie im unwegsamen Gelände von großem Vorteil.
- Die Telenotärztin/der Telenotarzt hat keinen Anfahrtsweg und ist sofort vor Ort verfügbar.
- Je nach Einsatzgeschehen ist möglich, dass eine Telnotärztin/ ein Telenotarzt zeitgleich mehrere RTW berät. Damit wird die Verfügbarkeit ärztlicher Expertise erhö
- Die Telenotärztin/der Telenotarzt entlastet die arztbesetzten Rettungsmittel von Patienten mit leicht- bis mittelgradig schweren Erkrankungen. So stehen NEF und RTH vorrangig für Patienten mit vitaler Bedrohung zur Verfügung.
Erhöhung der Rechtssicherheit für das Rettungsfachpersonal:
- Die Telenotärztin/der Telenotarzt übernimmt als höchstqualifizierter Beteiligter an einem Rettungsdiensteinsatz die medizinische Verantwortung. Dies wird zum Beispiel relevant, wenn ein Notfallpatient die notwendige Behandlung oder den Transport verweigert.
- Wenn die Handlungsanweisungen aus Sicht des Rettungsfachpersonals im Einzelfall unzureichend oder unklar sind, gewährleistet die Telenotärztin/der Telenotarzt die Behandlung.
Verbesserung der notärztlichen Ausbildung und Supervision:
- Notärzte, die noch weniger erfahren sind, können über dieses System in ihre Tätigkeit eingearbeitet werden, ohne dass es zu einer Patientengefährdung kommt.
Die Telenotärztin/der Telenotarzt kann und soll nicht die Notärztin/den Notarzt vor Ort ersetzen, wenn das Erkrankungsbild des Notfallpatienten dies erfordert. Im Gegensatz zu der Telenotärztin/dem Telenotarzt kann eine anwesende Nozärztin/ein Notarzt nicht nur seine fachliche Expertise einbringen, sondern kann auch sein manuelles Geschick am Patienten einsetzen etwa bei invasiven Maßnahmen. Dies ist häufig der Fall bei schweren Verkehrsunfällen, Wiederbelebungen, schweren Herzinfarkten, Kindernotfällen und so weiter.
Informationen für Fachkräfte
Team Telenotfallmedizin Goslar
Die Einführung der Telenotfallmedizin in Goslar wurde begleitet durch die Entwicklungsgruppe Telenotfallmedizin. Hier wurden in regelmäßigen Arbeitssitzungen und jährlichen Klausurtagungen Grundsätze der Anwendung der Telenotfallmedizin definiert, Schulungskonzepte wie die Multiplikatorenkurse und Telenotarzt-Kurse erarbeitet und wissenschaftliche Auswertungen und Veröffentlichungen erarbeitet. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind außerdem Ansprechpartner im Betrieb bei Problemen, Verbesserungsvorschlägen, oder der Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Telenotfallmedizin in Niedersachsen
Aus dem erfolgreich laufenden Pilotprojekt Telenotfallmedizin in Goslar werden seit 2021 bereits die niedersächsischen Landkreise Northeim, der Landkreis und die Stadt Hildesheim, die Landkreise Grafschaft Bentheim und Emsland, der Landkreis Schaumburg und die Stadt Braunschweig telenotfallmedizinisch versorgt.
Ziel des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport ist es, schrittwiese ein landesweit vernetztes, einheitliches telenotfallmedizinisches System aufzubauen, damit alle Kommunen von den digitalen Möglichkeiten bei der Notfallrettung profitieren können. Dabei soll die im Pilotprojekt erprobte effiziente Technik zum Einsatz kommen, die lediglich ein Smartphone zur audiovisuellen Verbindung von Einsatzkräften und Telenotärztin/ Telenotarzt sowie die Übermittlung von Vitaldaten in Echtzeit vorsieht. Zudem sollen die Möglichkeiten der Digitalisierung vollumfänglich ausgeschöpft werden und Telenotärztin/Telenotarzt standortunabhängig vom Rettungspersonal im Einsatz angefordert werden können.
2024 ist die Telenotfallmedizin im Niedersächsischen Rettungsdienstgesetz (NRettDG) verankert worden.
Ergebnisse Pilotprojekt Telenotärztin/Telenotarzt Goslar
Das Pilotprojekt Telenotfallmedizin Goslar läuft seit dem 04. Januar 2024. Seitdem ist der Telenotärtin/Telenotarzt- Arbeitsplatz in der Rettungsleitstelle Goslar durchgehend durch eine telenotärztin/einen Telenotarzt besetzt.
Der telenotärztin/Telenotarzt- Arbeitsplatz Goslar betreut seit Juli 2021 nicht mehr nur den Landkreis Goslar, sondern auch den Landkreis Northeim. Im Juli 2022 wurde der Nachbarlandkreis Hildesheim angeschlossen, im September 2023 der Landkreis Emsland und Grafschaft Bentheim, im Februar 2024 der Landkreis Schaumburg und im Juli 2024 die Stadt Braunschweig. Die Telenotärztin/der Telenotarzt Goslar betreut damit heute 1,5 Millionen Menschen in Niedersachsen.
In den ersten 3 Jahren des Projektes fanden bereits 3919 (auswertbare) Einsätze mit einer telenotärztin/einem Telenotarzt statt. Während des laufenden Projekts wurden erste Auswertungen durchgeführt, insbesondere um sicher zu stellen, dass die Technik auch im deutschen Mittelgebirge und im ländlichen Raum mit teils schlechter Netzabdeckung sicher einsetzbar ist. Hier wurde eine sehr hohe technische Zuverlässigkeit des Systems nachgewiesen (97% der Einsätze liefen ohne größere technische Störungen ab).
Hierzu folgende Fachtexte :
- Notfall+Rettungsmedizin 2022
- Rettungsdienst 2022
- Niedersächsisches Ärzteblatt
- Elsevier Emergency 2/2022
Es konnte außerdem gezeigt werden, dass die Telenotärztin/der Telenotarzt Patienten mit verschiedenen Krankheitsbildern und in allen Altersstufen behandeln kann, genauso wie eine Notärztin/ein Notarzt. Typischerweise wird die Telenotärztin/der Telenotarzt bei weniger kritischen Notfalleinsätzen hinzugezogen, bei denen die Fertigkeiten einer Notärztin/eines Notarztes vor Ort nicht nötig sind. Die Telenotärztin/der Telenotarzt entlastet hierdurch die Notärztin/den Notarzt von leichteren Einsätzen, damit die Notärztin/der Notarzt bei den kritischen Einsätzen schnell verfügbar bleibt.
Die Telenotärztin/der Telenotarzt hat somit als neue Ressource im Rettungsdienst eine hohe technische Zuverlässigkeit und einen breiten medizinischen Nutzen.
Kurse für Telenotfallmedizin (Telenotarzt-Kurs und Multiplikatorenkurs)
Sowohl Notärztinnen/Notärzte, die Telenotärztin/Telenotarzt werden möchten, als auch die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter des Rettungsdienstes, die zukünftig mit einer Telenotärztin/einem Telenotarzt zusammenarbeiten, müssen speziell ausgebildet werden. Sie müssen sowohl die eingesetzte Technik als auch besondere Kommunikationstechniken erlernen und beherrschen (Zitat Artikel Notarzt 2022). Alle Kurse in Goslar werden von erfahrenen Telenotärztinnen/Telenotärzten und in der Anwendung von Telenotfallmedizin erfahrenen Notfallsanitäterinnen/Notfallsanitätern, sowie dem notfallmedizinischen Ausbildungszentrum des Landkreis Goslar (NAZ) durchgeführt.
Telenotarzt-Kurse
Zukünftige Telenotärztinnen/Telenotärzte müssen nach dem Curriculum "Telenotarzt/ Telenotärztin" der Bundesärztekammer folgende Kriterien erfüllen:
- Facharztanerkennung in einem Gebiet mit unmittelbarem Bezug zur klinischen und rettungsdienstlichen Notfall- und Intensivmedizin
- Zusatzbezeichnung Notfallmedizin
- Nachweis von 2 Jahren regelmäßiger und andauernder Tätigkeit als Notarzt (mindestens jedoch 500 Einsätze)
- Erfahrung in der eigenverantwortlichen Führung von Personen
- andauernde regelmäßige Tätigkeit im Rettungsdienst
Außerdem muss der 3tägige Kurs nach BÄK-Curriculum absolviert werden. Der Kurs wird zusammen mit der Ärztekammer Niedersachsen zwei Mal jährlich in Goslar angeboten. In dem hier verlinkten Flyer zum 3tägigen Kurs sind alle Informationen zu finden. Die Anmeldung erfolgt per E-Mail.
Multiplikatorenkurs für Telenotfallmedizin
Alle Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter des Rettungsdienstes (Notfallsanitäterinnen/ Notfallsanitäter, Rettungsassistentinnen/ Rettungsassistenten, Rettungssanitäterinnen/ Rettungssanitäter), die Telenotfallmedizin anwenden sollen, müssen eine 1-tägige Anwenderschulung erhalten. Hier bietet es sich an, Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter aus dem eigenen Betrieb zu einer Multiplikatorenschulung zu entsenden, die dann selbst qualifiziert sind, Anwenderschulungen im eigenen Betrieb durchzuführen.
Die Multiplikatorenschulung ist 2tägig und wird an 4-6 Terminen jährlich in Goslar durchgeführt. Sie beinhaltet:
- theoretische Inhalte in Grundlagen der Telenotfallmedizin, Technischer Ausstattung, Rechtlichen Aspekten sowie Kommunikation
- praktische Anwendung in simulierten Fallbeispielen