Zweites Pandemie-Jahr wirkt sich stark auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen aus
Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Landkreises Goslar veröffentlicht Jahresbericht 2021
In 945 Fällen wurden im vergangene Jahr die Angebote der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche (BEKJ) des Landkreises Goslar in Anspruch genommen – dies geht aus dem aktuellen Jahresbericht hervor, den die BEKJ für 2021 vorgelegt hat. Damit war der Bedarf niedriger als in den Vorjahren: 2020 wandten sich 1013 Ratsuchende an die Beratungsstelle, 2019 waren es 1011.
Laut Claudia Brümmer, Diplom-Psychologin und Leiterin der BEKJ, gab es ein Spektrum an verschiedensten Fragestellungen und Anlässen, aus denen heraus Beratungstermine vereinbart wurden. Das Thema Corona spielte allerdings in vielen Gesprächen eine – mehr oder weniger große – Rolle.
Das zweite Pandemiejahr bedeutete für Kinder und Jugendliche erneut eine zusätzliche psychische Belastung, wie in vielen Gesprächen deutlich wurde. Die Einschnitte in den Alltag, die die Pandemie nötig machte, und die daraus resultierenden Auswirkungen waren in allen Altersgruppen spürbar: Viele Menschen, so berichtet Brümmer, seien in der Corona-Zeit ins Grübeln gekommen. Depressive Verstimmungen, fehlende Sozialkontakte und daraus resultierende soziale und allgemeine Ängste, aber auch grundsätzlich die Sorge, dass man selbst oder Angehörige und Freunde an Corona erkranken könnten, belasteten die Ratsuchenden.
„Jugendliche berichteten in den Beratungen unter anderem von Traurigkeit, Einsamkeit und Versagensängsten. Auch zeigten sich im Berichtsjahr vermehrt Anmeldungen von Jugendlichen mit sozialer Phobie und Schulangst.
Kinder sprachen in den Einzelgesprächen oft den Wegfall von schönen Ereignissen an – Ausfall des Kindergeburtstags, Wegfall von Verabredungen am Nachmittag, kein Training im Sportverein“, schildert Claudia Brümmer, in dem Bericht.
„Besonders die Kindergartenkinder waren von der Länge der Pandemie und der dadurch festgelegten Maßnahmen stark belastet, da ihnen aufgrund ihrer kognitiven Entwicklung der Überblick für das Ganze fehlt, als auch ein Gefühl für die Dauer von Ereignissen. Oft zeigten sich bei ihnen psychosomatische Beschwerden oder regressive Symptome wie Einnässen.“
Die statistische Auswertung zeigt, dass es 2021 erneut Probleme im Bereich der Schule oder der Ausbildung waren, die für die meisten Beratungen sorgten. Allerdings nahmen sie in der Gesamtheit der Gespräche gesehen einen geringeren Anteil ein als noch im Vorjahr – mehr Beratungen wurden anteilig hingegen wegen sonstiger Probleme in und mit der Familie geführt.
Laut Claudia Brümmer liegt die Vermutung nahe, dass dies weiterhin Folgen der Pandemie sind: „Die coronabedingten Einschränkungen im Alltag, in der Freizeitgestaltung, in den Sozialkontakten führten dazu, dass die Familienmitglieder mehr Zeit miteinander verbringen durften, konnten oder ‚mussten‘. Dadurch haben sie mehr voneinander mitbekommen“, erläutert sie. Aufgrund dieser Umstände könnten Eltern Schwierigkeiten, die ihre Kinder haben, möglicherweise auch erst entdeckt haben. „Durch das viele Zusammensein, die geringeren Rückzugsmöglichkeiten und fehlenden außerfamiliären Freizeitaktivitäten stieg möglichweise aber auch das Konfliktpotential in den Familien, so dass sich Familien hier Rat und Hilfe holten“. erklärt Claudia Brümmer weiter. Homeschooling, Homeoffice und weitere Sorgen bedeuteten für Eltern ebenso zusätzliche Herausforderungen, sodass sie zum Teil an die Grenze ihrer Belastungen kamen und daher professionelle Hilfe suchten.
Die Zeit des Homeschoolings spielt laut der Leiterin der BEKJ bei den niedrigeren Anmeldezahlen wegen Schulproblemen ebenfalls eine Rolle: „Vermutlich liegt es daran, dass Multiplikatoren wie Lehrkräfte und Schulsozarbeiterinnen und –arbeiter Probleme nicht mitbekommen konnten, weil die Schülerinnen und Schüler zeitweise auch nicht vor Ort beschult wurden.“
Zudem waren bei Kindern in der BEKJ Entwicklungsauffälligkeiten 2021 häufiger zu beobachten als in den Jahren davor. „Für ihre körperliche, emotionale und geistige Entwicklung benötigen besonders Kinder und Jugendliche viele Anreize, vielfältige Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, um gesund (auf-) zu wachsen. Auch hier zeigten sich bereits die Folgen der coronabedingten Einschränkungen“, erklärt Brümmer.
Wie stark die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie nicht nur auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern auf Familien insgesamt ist, werde sich laut Brümmer noch in den kommenden Jahren im Beratungsalltag bemerkbar machen.
Die Arbeit der Beratungsstelle selbst war durch die Pandemie weiterhin von Einschränkungen betroffen, da durch die Pandemie persönliche Beratungskontakte 2021 zeitweise nur eingeschränkt möglich waren. Das Angebot an alternativen Beratungsformen – wie per Telefon oder Videokonferenz – wurden daher ausgebaut und gefestigt. Die Priorität liegt weiterhin bei Präsenzberatungen, die alternativen Angebote sollen in Zukunft ergänzend genutzt werden.
Die Beratungsstellen der BEKJ im Überblick
BEKJ Goslar, Klubgartenstraße 12, Telefon 05321 76-482
BEKJ Bad Harzburg, Gestütsstraße 10, Telefon 05322 8453
BEKJ Clausthal-Zellerfeld, Einersberger Blick 2, Telefon 05323 83635
Die Beratungen sind kostenfrei und unterliegen der Schweigepflicht.