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Datum: 9. November 2023

Kinder- und Jugendgesundheit verdient deutlich mehr Beachtung

Siebte Gesundheitskonferenz des Landkreises Goslar befasst sich mit dem Zustand der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Gesundheitssituation

Die Kinder- und Jugendgesundheit stand im Mittelpunkt der inzwischen siebten Gesundheitskonferenz des Landkreises Goslar, die dieses Mal nicht im Hotel „Der Achtermann“, sondern im Kreishaus in der Klubgartenstraße über die Bühne ging.

An die Teilnehmerzahlen der vorangegangenen Ausgaben konnte das diesjährige Forum nicht heranreichen. Lediglich knapp 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren gekommen, in der Vergangenheit waren es bis zu 300.

Inhaltlich musste sich die Konferenz aber erneut nicht verstecken. Mit dem Hauptreferenten Professor Dr. Thomas Klingebiel konnte Hausherr Landrat Dr. Alexander Saipa eine echte Kapazität auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendgesundheit begrüßen.

Der inzwischen emeritierte Professor, der über 20 Jahre die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Frankfurt am Main leitete, führte mit profundem Fachwissen aus, dass es um die gesundheitliche und medizinische Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Deutschland nicht gut bestellt ist.

Nicht nur bei den niedergelassenen Kinderärzten bestehe laut Klingebiel ein Mangel, sondern auch bei der Versorgung in den Kinderkliniken gäbe es deutlich Luft nach oben. Gerade im Herbst und Winter komme es nicht selten vor, dass Eltern an den Kliniktüren wegen Überlastung abgewiesen würden.

Als Gründe nannte Klingelbiel sowohl für den ambulanten als auch den klinischen Bereich den Personalmangel. Dies gelte nicht nur für die Arztseite, sondern auch bei den Pflegekräften herrsche akuter Bedarf. Aktuell seien im pflegerischen Bereich rund 3.000 Vollzeitstellen nicht besetzt. Die Personalakquise gestalte sich indes schwierig, da die Gehälter schlicht zu niedrig seien.

Probleme benannte der Referent auch bei der Arzneimittelversorgung für Kinder und Jugendliche. Viele Eltern dürften selbst Erfahrung mit der schlechten Verfügbarkeit von fiebersenkenden Mitteln, Hustensäften oder Penicillin haben. „Die Ökonomisierung der Arzneimittel ist einfach zu hoch“, so Klingebiel, „und die Herstellung und der Vertrieb von Kinderarzneien sind für die Hersteller einfach nicht lukrativ.“ Als schwierig bezeichnete der Mediziner zudem den Umstand, dass das Gros der Arzneimittelgrundstoffe aus China komme. Ein Umstand, der nicht nur während der Pandemie für Mangel sorgte.

Klingebiel, der sich in der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ e.V.) engagiert, wies ferner darauf hin, dass sich die Zahl der Geburten wieder auf dem Niveau von Mitte der 90er Jahre befinde. Die Zahl der Klinikbetten in der Kinder- und Jugendmedizin jedoch weiter sinke. Stand 2021 gab es in Deutschland 17.696 entsprechende Betten, 1995 waren es noch 25.393.

In den Blick nahm der ehemalige Klinikleiter auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche, die nach seiner Einschätzung „einen hohen Preis bezahlt haben, denn die Lebensqualität in dieser Altersgruppe hätte durch die zahlreichen Einschränkungen messbar abgenommen“. Bis heute seien die Auswirkungen spürbar.

Im Anschluss befassten sich die Teilnehmer in zwei Fachforen nochmals intensiver mit den psychischen Belastungen für Kinder- und Jugendliche durch die Corona-Pandemie sowie den Risiken und Gefahren der geplanten Cannabis-Legalisierung. Zu letzterem unterstrich Dr. Saipa bereits in seiner Begrüßung, dass er der geplanten Legalisierung aus toxikologischen Aspekten ausgesprochen kritisch gegenübersteht. Die gleiche Meinung vertrat auch Professor Klingebiel.

Im „Covid19-Forum“ unter der Leitung von Psychologin Ines Passier (Dr. Fontheim Mentale Gesundheit) wurde deutlich, dass die Corona-Pandemie die massiven Herausforderungen vor denen Kinder und Jugendliche heute stehen nochmals verstärkt haben.

Als Ergebnis wurde unter anderem festgehalten, dass Kinder und Jugendliche während der Pandemie auf viele Dinge verzichten mussten und Solidarität mit Älteren, Kranken und Schwachen in der Gesellschaft zeigten. Auch deshalb, so der einstimmige Tenor, verdient diese Personengruppe höchste Anstrengungen der (politischen) Akteure und der Gesamtgesellschaft, um die Auswirkungen der Pandemie abzumildern und gute Entwicklungsperspektiven zu gewährleisten.

Moderiert wurde die Gesundheitskonferenz von Dr. Maren Preuß, Fachreferentin bei der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen (LVG & AFS Niedersachsen e.V.). Die Organisation oblag dem Fachbereich Gesundheit und Verbraucherschutz des Landkreises Goslar.